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Kurzer Einblick, aktuelle Wirtschaftslage & derzeitige Lage am Arbeitsmarkt in Deutschland (Stand – Jan. 2020)

Auf einmal hat Deutschland ein ernsthaftes Problem. Zehn Jahre in Folge war die deutsche Wirtschaft gewachsen. Und – das die gute Nachricht – auch 2019. Allerdings stand am Ende des Jahres nur ein Mini-Plus von 0,6 Prozent. Aus dem einstigen Musterschüler der EU ist ein Sorgenkind geworden. In der gesamten Europäischen Union gab es neben Deutschland nur ein einziges Land, dessen Konjunkturwerte unter einem Prozentpunkt lagen. Um in der „Schulsprache“ zu bleiben: Es handelt sich dabei um den „ewigen Sitzenbleiber“ Italien (+ 0,2 Prozent).

Zu den Klassenbesten im Fach „Wirtschaftswachstum“ zählen mittlerweile die früheren Außenseiter. Mit Ausnahme von Irland gehören sie erst seit 2004/2007 zum Staatenverbund. Die Rede ist von den baltischen Staaten, Ungarn (+ 4,9 Prozent), Polen (+ 4,0 Prozent), Rumänien, Bulgarien, Tschechien und der Slowakei. Allesamt liegen sie östlich von Deutschland. Und vier davon entwickeln sich innerhalb der sogenannten Visegrád-Gruppe (V4) zu einem regelrechten Impulsgeber für die deutsche, aber auch für die gesamte europäische Wirtschaft. Mit ihren knapp 65 Millionen Einwohnern bilden Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei die fünftgrößte Wirtschaft innerhalb der EU. Während es mit dem Welthandel abwärts geht, bleibt die Visegrád-Gruppe – insbesondere Polen – das Zugpferd für den deutschen Export. Die Geschäfte deutscher Unternehmen mit den einstigen Ostblock-Staaten florieren seit Jahren. Die Schwäche der traditionellen westlichen Handelspartner kann darüber zumindest zu einem Teil wieder ausgeglichen werden.

Für Deutschland ist Polen als Handelspartner zum Beispiel wichtiger als Großbritannien, das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern legte 2019 um mehr als vier Prozent zu. Der deutsche Warenaustausch mit allen vier Staaten erreichte 2019 ein Volumen von über 300 Milliarden Euro – das übertrifft sogar den Handel mit den USA oder China. Nach dem Ausscheiden der Briten aus der Europäischen Union verschiebt sich das Machtgefüge in Richtung Osten, die Stimmen aus Mittel-/Osteuropa gewinnen nicht nur in wirtschaftlichen Belangen, sondern auch in politischer Hinsicht an Gewicht. Ob bei der Flüchtlingsquote oder dem „Green Deal“ zum Klimaschutz: Gegenüber Brüssel treten die V4-Staaten als Einheit auf – und setzen sich mit ihren Positionen meistens auch durch. Das deutsch-französische Modell als Fundament der EU bröckelt bereits, früher oder später werden die mitteleuropäischen Länder diese Rolle übernehmen.

So abhängig Tschechien, Ungarn, Polen und die Slowakei von der deutschen Wirtschaft auch sind: Deutsche (und andere westeuropäische) Unternehmen werden mehr und mehr auf die Visegrád-Länder angewiesen sein. Ohne sie würden Deutschland und Westeuropa ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die jüngste Konjunkturflaute – die mehreren Prognosen zufolge in den kommenden Jahren anhalten wird – kann als Ergebnis von Handelskonflikten (vor allem zwischen den USA und China), des Trauerspiels um den Brexit und einem nachlassenden globalen Wirtschaftswachstum gesehen werden.

Deutschland hat zu lange an der „schwarzen Null“ festgehalten und wichtige Investitionen versäumt.

Die für den einstigen Exportweltmeister so wichtige Automobilindustrie (mit einer Exportquote von über 77 Prozent (!) und einem Anteil von 13 Prozent am BIP) und damit auch die gesamten Zulieferer erleben durch die Umstellung auf Elektromobilität gerade einen tiefgreifenden Strukturwandel. Hinzu kommt eine Absatzkrise, die 2019 begann und sich fortsetzen dürfte. Davon erfasst wird auch der nachgelagerte und für die Volkswirtschaft ebenso bedeutende Maschinenbau. Zudem geht die Nachfrage nach „deutscher Wertarbeit“ zurück, vor allem auf den wichtigen Märkten Nordamerika, Mexiko und China. Schon das allein verheißt nichts Gutes. Aber es könnte noch schlimmer kommen: Laut einer aktuellen Prognose der Stanford University werden bereits in fünf Jahren keine Fahrzeuge mit traditionellen Verbrennungsmotoren mehr verkauft. Deutschland hat den Startschuss verschlafen. Ausländische Hersteller haben in Sachen E-Mobilität oder „autonomes Fahren“ einen technologischen Vorsprung. Die deutsche Automobilindustrie steckt bereits in einer Existenzkrise – und diese bedroht nicht weniger als die gesamte deutsche Volkswirtschaft.

Gegen eine Belebung der deutschen Wirtschaft spricht auch die zurückgehende Wettbewerbsfähigkeit. Dafür reicht schon ein Blick auf den von der Weltbank erstellten „Doing Business Index“, der seit 2006 die Geschäftsfreundlichkeit von Volkswirtschaften untersucht. Deutschland rutschte in der einflussreichen Studie zuletzt fünf Jahre in Folge ab und belegt momentan nur noch den 22. Rang – und steht damit hinter Ländern wie Thailand, Mauritius, Nordmazedonien und Georgien. Einen „großen Sprung nach vorn“ machte China (31.). Bemerkenswert ist aber vor allem die positive Entwicklung Russlands (28.), das sich durch entsprechende Reformen innerhalb von sieben Jahren um über 80 Positionen (!) vorgearbeitet hat und Länder wie Japan, Spanien oder Frankreich hinter sich lässt.

Dass sich Deutschland so schlecht präsentiert, hat auch mit dem Versagen der eigenen Regierung zu tun. Deren Sparkurs, die Anbetung der schwarzen Null, der Tritt auf die Schuldenbremse, hat der Wirtschaft definitiv geschadet. Der Staat hat wichtige Investitionen schlichtweg versäumt oder sich zu knauserig verhalten, etwa im Bereich der Digitalisierung, der Bildung oder der Verkehrsinfrastruktur. Im Gegensatz zu Deutschland wird der digitale Wandel in Mittel-/ Osteuropa zügig und strukturiert vollzogen. Die baltischen Staaten oder auch die Visegrád-Länder gehören weltweit zu den Vorreitern in Sachen „Digitale Verwaltung“ und beim Ausbau der digitalen Infrastruktur. Deutschland hingegen wird mittlerweile in ganz Europa für sein „lahmes Internet“ und seine schlechten Online-Dienste belächelt.

Arbeitnehmer in Deutschland leiden unter einer extremen Steuerlast. Nur in Belgien werden sie noch mehr geschröpft.

Schlechte Noten erhält Deutschland auch bei der Steuerlast. Laut einer aktuellen OECD-Studie zieht nur der belgische Staat den Berufstätigen noch mehr vom Bruttogehalt ab. Was die Belastung mit Steuern und Sozialbeiträgen angeht, landen Länder wie Polen, Tschechien, die Slowakei, Litauen, Estland, aber auch die Schweiz unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten. Beispiel Polen: Während Warschau kinderreichen Familien sogar eine negative Steuer ermöglicht, sie also Geld vom Staat erhalten, entwickelt sich das Steuerrecht in der Bundesrepublik immer mehr zu einem Wettbewerbsnachteil. Aufgrund des hohen Anteils an Sozialabgaben (20,6 Prozent für ledige Arbeitnehmer) sind in Deutschland vor allem die Einkommen von Geringverdienern und Alleinerziehenden extrem belastet. In den Industrieländern zahlt ein durchschnittlicher Arbeitnehmer rund ein Viertel seines Bruttoeinkommens an den Fiskus. In Polen sind es im Schnitt 25,2 Prozent, in Deutschland hingegen 39,7 Prozent! Bei einem Jahresbruttogehalt von 100.000 Euro bleiben in Deutschland unterm Strich etwa 60.000 Euro übrig, in Polen oder Tschechien hätte man gut 15.000 Euro mehr in der Tasche. Noch extremer fällt für einen alleinstehenden Durchschnittsverdiener der Anteil an den Arbeitskosten aus. Im OECD-Schnitt liegt er bei etwa 36 Prozent, in Deutschland bei fast 50 Prozent!

Immer mehr Bundesbürger machen zudem Bekanntschaft mit dem berühmten Spitzensteuersatz, obwohl sich viele von ihnen alles andere als reich fühlen. Mittlerweile leisten über 4,2 Millionen Einwohner diese Abgabe von 42 Prozent, bei vielen reicht dafür bereits ein Bruttoeinkommen von knapp über 5.000 Euro. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler kritisierte das System: „In Deutschland zahlen oft schon gut ausgebildete Facharbeiter den Spitzensteuersatz.“ Die Politik müsse diesen Missstand beseitigen, nur wirkliche Spitzenverdiener sollten seiner Ansicht nach auch den Spitzensteuersatz zahlen. Fazit: Deutsche Arbeitnehmer werden extrem belastet, Polen oder Tschechien belastet seine Bürger deutlich weniger, obwohl die soziale, aber auch die technische Infrastruktur mindestens genauso gut ausgebaut ist.

Der Fachkräfte-Mangel bereitet auch der deutschen Wirtschaft große Probleme. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Ein riesiges Problem für die deutsche Wirtschaft ergibt sich aus der Lage am Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote beträgt ungefähr drei Prozent (2019) – nur Tschechien steht im EU-Vergleich mit unter zwei Prozent noch besser da. Aber was heißt schon „besser“? Beide Länder liegen über dem sogenannten „natürlichen Wert“, der sich von Land zu Land unterscheidet. Die eine Seite der Medaille: Da es kaum Arbeitslose, aber immer noch viele Jobs gibt, steigen auch die Löhne und Gehälter. Die andere: Es gibt vermutlich einen Mangel an Fachkräften, der das BIP-Wachstum ausbremst. Und genau das ist nicht nur in Tschechien und Deutschland der Fall, sondern in ganz Mittel-/ Osteuropa.

Das Finanzministerium räumte vor einiger Zeit ein, dass hunderttausende Stellen in Deutschland nicht besetzt werden können. Etwas konkreter werden die deutschen Industrie- und Handelskammern. Sie gehen davon aus, dass rund 1,6 Millionen Stellen auf längere Sicht unbesetzt sind. Einen Versuch, etwas daran zu ändern, startete die Bundesregierung mit der 2015 beschlossenen „Westbalkan-Regelung“. Darüber können Bürger aus Serbien, Montenegro, Albanien und anderen ehemaligen Staaten Jugoslawiens ein Arbeitsvisum für Deutschland erhalten, ohne dass sie dafür Deutsch-Kenntnisse oder eine Berufsausbildung nachweisen müssen. Sie richtet sich an gering qualifizierte Arbeitskräfte, die sich vor allem um Stellen im Baugewerbe, der Gastronomie oder der Pflege bewarben. Das Ergebnis fällt relativ nüchtern aus: Zwischen Ende 2015 und Ende 2018 kamen darüber nur etwa 50.000 neue Arbeitskräfte ins Land, davon über 30.000 ohne berufliche Qualifikation.

Das Problem will die Bundesregierung im Jahr 2020 mit dem „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ angehen. Im Gegensatz zur „Westbalkan-Regelung“, die voraussichtlich Ende 2020 ausläuft, erleichtert es nur Ausländern aus Nicht-EU-Staaten die Zuwanderung, die über eine Berufsausbildung verfügen. Das Gesetz richtet sich also an qualifizierte Arbeitskräfte, die sechs Monate lang in Deutschland eine Beschäftigung suchen dürfen.

In Polen oder in Tschechien arbeiten zum Beispiel zigtausende Ukrainer. Die Wirtschaft in diesen Ländern ist angewiesen auf das Personal aus der Ukraine. Wandern die ukrainischen Arbeitskräfte nun wegen der neuen Regelungen nach Deutschland weiter, weil sie dort mehr verdienen können? Das wird kaum passieren, aus nachvollziehbaren Gründen. Erstens wird das ganze Prozedere „typisch deutsch“ ablaufen: kompliziert und bürokratisch. Entscheidender ist aber ein anderer Punkt: Die sprachliche, kulturelle und natürlich auch geographische Nähe sprechen eindeutig für die slawischen Länder. Die Bezahlung in Deutschland fällt zwar immer noch höher aus, aber unter dem Strich erscheint ein Arbeitsaufenthalt in der Bundesrepublik nicht mehr attraktiv. Das hängt auch mit der gestiegenen Lebensqualität und höheren Gehältern in Polen (wo über eine Million Ukrainer arbeiten) und den anderen Visegrád-Staaten zusammen. Mittlerweile verfügen Fach- und Führungskräfte dort über eine höhere Kaufkraft als in Deutschland.

Laut einer Studie fühlen sich ausländische Fachkräfte in Deutschland wenig willkommen.

Einen Beleg für das schlechte Image der Deutschen bei ausländischen Fachkräften liefert eine internationale Studie des Netzwerks „Internations“. Im „Expat Insider“ stürzte Deutschland in Sachen Beliebtheit dramatisch ab. Belegte das Land im Jahr 2014 (also vor der ungebremsten Zuwanderung von über einer Million Flüchtlingen) noch einen passablen zwölften Platz, landete es 2019 nur noch im grauen Mittelfeld, genauer gesagt auf Platz 33 von 64 Ländern. Wenn es um die Eingewöhnung im Gastland geht, gehört Deutschland sogar zu den Schlusslichtern weltweit (Platz 60). Willkommenskultur? Wahrscheinlich ein Mythos. Bulgarien, Finnland, Russland, Ungarn – alle schneiden sie in dieser Hinsicht besser ab. Übrigens: In der Gesamtwertung gehört Tschechien seit einigen Jahren bei Expats zu den beliebtesten Ländern.

Um Deutschland ist es wahrlich nicht gut bestellt. Das Land muss im Ausland nach gut ausgebildeten Fachkräften suchen. Dabei könnten genauso gut deutsche Staatsbürger diese Lücken füllen, wenn sie selbst nicht ausgewandert wären … Jedes Jahr verlassen an die 200.000 Top-Arbeitskräfte ihr Heimatland, vor allem weil sie woanders besser verdienen. Drei von vier Auswanderern verfügen über einen akademischen Abschluss, sind im Schnitt 35 Jahre alt und verdienen laut der „German Emigration and Remigration Panel Study“ nach einem Jahr im Ausland rund 1.200 Euro mehr im Monat. Die wichtigsten Zielländer sind die Schweiz, die USA, Österreich und Großbritannien. Sollte es nicht die Aufgabe der deutschen Politik sein, diese Leute mit entsprechenden Angeboten zu einer Rückkehr zu bewegen anstatt ausländische Arbeiter nach Deutschland zu holen, die zu einer weiteren Überfremdung des Landes führen?

Ohnehin ist das ein immer schwierigeres Vorhaben: Für Zuwanderer, vor allem für hoch qualifizierte, ist Deutschland schon längst kein attraktives Zielland mehr. Neben dem erwähnten „Expat Insider“ belegt das auch eine OECD-Studie. Ausschlaggebend für die relativ schlechte Platzierung (Platz 12 von 35) sind vor allem die geringen Nettogehälter. Die größte Volkswirtschaft Europas schneidet zwar bei Studierenden gut ab, doch bei den so wichtigen Fachkräften fällt sie eher durch. Auch die Sicherheit im Land spielt bei der Entscheidung, die Heimat zu verlassen, eine gewichtige Rolle. Im „Global Peace Index 2019“, der die Friedfertigkeit von Nationen miteinander vergleicht, ist Deutschland als 22. mittlerweile noch nicht einmal mehr unter den Top 20 vertreten. In puncto Kriminalitätsrate schneiden zum Beispiel Tschechien oder Ungarn, aber auch Slowenien besser ab. Vielleicht sollte die deutsche Politik endlich erkennen, dass man von den Nachbarn im Osten eine Menge lernen kann.